Das künstlerische Werk

Friedrich Becker war ein enorm ideenreicher, innovativer, technisch und handwerklich versierter Goldschmied und Schmuckkünstler, der neben Schmuck und Gebrauchsgerät auch eine Vielzahl kinetischer Großobjekte geschaffen hat. Mit seinen Entwicklungen, aber auch als Professor der Düsseldorfer Kunsthochschule hat er eine Vielzahl nachfolgender Goldschmiede geprägt.

Schon zu Lebzeiten genoss er hohe Anerkennung, die sich in zahlreichen Preisen und Ausstellungen ausdrückt. Eine besondere Ehre war darunter seine Einzelausstellung in der Londoner Goldsmith’s Hall, die erste eines deutschen Künstlers überhaupt. Noch kurz vor seinem Tod empfing er den Ehrendoktortitel des Royal College of Art in London. In der 160-jährigen Geschichte des Royal College war diese Ehre noch keinem Goldschmied zuteil geworden.

Friedrich Becker war der wohl bedeutendste deutsche Goldschmied nach dem Zweiten Weltkrieg. Nachfolgend erhalten Sie einen Einblick in sein Werk.

Zweiwegering (1956)

Gelbgold 750/000, Mondstein

Eine geradezu revolutionäre Entwicklung seiner frühen Schaffensphase war die Entwicklung des Zweiwegeringes 1956. Ausgangspunkt war die Frage, ob der Mondstein auf dem Ring in Quer- oder Längsrichtung besser wirke. Friedrich Becker löste dieses Problem kurzerhand mit der Entwicklung eines Ringes, der in zwei Richtungen getragen werden kann. Damit konnte die Trägerin die Wirkung des Ringes variieren.

Diamondseller (1959)

Edelstahl, synthetische weiße Spinelle, Länge 103 mm

1959 entwickelte Friedrich Becker eine Größenlehre für Diamanten, mit der die Karat-Einteilung abmessbar ist. Dieser »Diamondseller« hat sich inzwischen als ein weit verbreitetes Hilfsmittel für Goldschmiede durchgesetzt, ohne dass Friedrich Becker je eine patentrechtliche Anmeldung angestrebt hätte, was ihm grundsätzlich zweitrangig war, da er sich bereits neuen Ideen zugewendet hatte. Wichtig war ihm dagegen die Ästhetik der Größenlehre, die durch Ausklappen der schwenkbaren Zeiger variable Formen annehmen konnte.

Auswechselbare Steine und Kugeln (1957)

Ring Gelbgold 750/000 mit auswechselbarer Rutilquarzkugel

Das Thema der Variabilität ließ Friedrich Becker nicht mehr los. Der Träger des Schmucks selbst sollte die Möglichkeiten zur optischen Änderung haben. Diese Variationsmöglichkeit stellte er in vielen Ringen und Armbändern her, indem er die Fassungen so gestaltete, dass die Steine bzw. Kugeln auswechselbar waren und so die Option für andere Steine und Farben offen gehalten war. Interessant ist bei dem Ring, für den er 1959 den Bayerischen Staatspreis erhielt, vor allem die Fassung des Steins, die ohne traditionelle Elemente wie Steinfassung, Stotzen, Unterbauten oder Galerien völlig außer Acht lässt. Damit haben die dekorativen Elemente gleichzeitig die Funktion, den Stein zu halten. Friedrich Becker war diese Gleichzeitigkeit von Dekoration und Funktion und die Vermeidung überflüssiger dekorativer Elemente stets wichtig.

Variabler Schmuck (1962)

Ansteckschmuck Gelbgold 750/000, Rubine, Durchmesser 37 mm

Die Entwicklung ging dahin, dass seine Schmuckstücke auch in ihrer Form durch den Träger und Betrachter variiert werden konnten. Am besten ließ sich dies beim Ansteckschmuck realisieren, wie bei der hier gezeigten Brosche aus dem Jahr 1962.

Variabler Schmuck (1978)

Ansteckschmuck, Weißgold 750/000, Zuchtperlen, 142 mm

Ein weiteres Beispiel für Professor Friedrich Beckers Idee von vielfach veränderbaren Schmuck ist dieser Ansteckschmuck aus dem Jahr 1978. Der Schmuck kann in die unterschiedlichsten Formen gebracht werden, unter anderem auch in die im nebenstehenden Bild gezeigte.

Kinetischer Schmuck (1969)

Armschmuck, Weißgold 750/000, Brillanten, Lapislazuli

Ab 1964 vollzieht Friedrich Becker einen weiteren Schritt von dem durch den Träger veränderbaren variablen Schmuck hin zu kinetischem Schmuck, der sich beim Tragen in ständiger Bewegung ist. Hier kommt ihm sein umfassendes technisches Wissen als Luftfahrttechniker, vor allem aber seine Freude am Experimentieren und Erfinden zugute. Die filigrane Technik der Kinetiken erforderte ferner ein Höchstmaß an handwerklichem Können, durch das sich Friedrich Becker in besonderem Maße auszeichnete.

Edelstahl und Synthesen (1987)

Edelstahl, synthetischer roter Korund

Dieser Kinetische Zweifingerring offenbart weitere Inventionen von Friedrich Becker: Er arbeitete bewusst mit synthetischen Steinen und machte diese für die Schmuckkunst hoffähig. Dabei war für den Betrachter schon anhand der Größe und Form des Steines sichtbar, dass es sich nicht um ein Original handelte. Bezeichnenderweise kombinierte Becker die Synthesen nicht mit Gold oder Silber, sondern mit Edelstahl. Die Einführung dieser Materialien in die Schmuckkunst hat daraufhin viele Goldschmiede geprägt. Die Größe des kinetischen Steines erforderte einen größeren Ring, der über zwei Finger getragen wird – ebenfalls ein Charakteristikum in Friedrich Beckers Werk.

Kinetisches Objekt (1972)

Wandkinetik »Sonnenräder«, Edelstahl, 4,0 x 3,9 m

Einer großen Öffentlichkeit bekannt ist Friedrich Becker durch seine Kinetiken im öffentlichen Raum. Häufig basieren diese auf seinen kinetischen Schmuckstücken. Auch die bekannten »Sonnenräder« im Sudhaus der Brauerei Veltins gehen auf ein Prinzip zurück, das Friedrich Becker beim Ansteckschmuck angewendet hat.

Messerprofil (1964)

Ansteckschmuck, Weißgold 750/000, Brillant, Länge 135 mm

Eine besondere Entwicklung Friedrich Beckers, die später vielfach von der Schmuckindustrie kopiert wurde, war die Fassung eines Steins auf einem schmalen, klingenförmigen Profil, das er selbst als »Messerprofil« bezeichnete. Die nahezu unsichtbare Fassung besteht aus einem trichterförmigen Einschnitt und einer dort eingeschobenen Auflageöse. Dies erforderte eine sehr exakte Verarbeitung, durch die sich Becker besonders auszeichnete. Ungenauigkeiten und rohe Bearbeitungen waren ihm zuwider.